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Rückblick auf die Show am 17. Mai 2009

Tolle Fotos des Abends, geschossen von Crosa:
http://www.flickr.com/photos/facing-my-life/sets/72157618455461142/show/
und http://www.facing-my-life.de/2009/05/20/erlangenslam-2/

Den Wettbewerb ergänzte dieses Mal unser musikalischer Spezialgast Nikita Gorbunov, der sich selbst und seine Lieder wieder einmal alles andere als ernst nahm und bei seinem zweiten Set sogar im Schlafanzug (!) auf die Bühne kam – warum, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Dies alles änderte jedoch auch nichts daran, dass seine intelligenten, poetischen Texte, getragen von angenehmem Gesang und eingängigen Gitarrenmelodien, so manches Mal für Gänsehaut sorgten. Dass er dabei immer wieder von sehr persönlichen und tief melancholischen Reflexionen unvermittelt ins überzeichnet Alberne hinüber und wieder zurück sprang, ist wohl der ganz typische Gorbunov-Stil: Eben erklärt er seiner kleinen Tochter noch auf rührende Weise, dass er ihr nichts bieten könne, außer diesem kleinen Refrain, im nächsten Atemzug bzw. Song sprengt er das gezwungene Ambiente eines allsonntaglichen Mittagessens bei den spießig bornierten Schwiegereltern, indem er überraschend und mit großer Geste sein Gemächt auf den Tisch legt.

Der Wettbewerb selbst war diesmal qualitativ so hochwertig, dass die Zuschauer es nicht leicht hatten, eine Entscheidung zu fällen.
Schlumpf kam direkt aus dem Lostopf als erster auf die Bühne und eröffnete den Slam mit einem so emotionalen wie expressiven Brief bzw. Monolog über einen schmerzlichen Abschied. Robert verglich an Startnummer Zwo die Gesellschaft mit einer Ansammlung von Burgherren und blieb bis ins Innere eines jeden Menschen bei dieser Analogie. Als nächstes verblüffte Veit mit einer testosterontriefenden Hommage an den Siegert’schen Kettensägentestertext und malte zur großen Freude des Publikums in kräftigen Farben (und Gerüchen) seine Zeit als Holzfäller in Québec an die innere Leinwand. Axel Horndasch sorgte für durchschlagende Erheiterung bis hin zu Zwerchfellüberschnappern, indem er die Inhaltsangabe eines fiktiven Tatorts unter fränkischer Leitung als echte Räuberpistole zum Besten gab. Lucas Fassnacht stand in seiner philosophisch-poetischen Selbstreflexion als Narr am Bug des Narrenschiffs und ließ sich die Wahrheit in Spott aufwiegen. Nadja Schlüter beschloss und gewann gleichzeitig die erste Runde mit dem Vortrag eines in haarsträubender Weise ehrlichen Bewerbungsschreibens – eine klare und durchschlagende Kritik am formelhaften und glattgebügelten Duktus der Personalkommunikation.
Runde Zwei wurde von dem der Loskiste entsprungenen Turnkey Facility zunächst für eine Symphonie der Selbstironie genutzt: wie ein Masch.-Bauer sich dem weiblichen Geschlecht „nähert“. Anschließend entwarf Oliver Teumer (Entschuldigung für den falsch geschriebenen Namen an der Tafel!) ein alptraumhaftes globales Zukunftsszenarion, betrachtet durch die Linse einer abgestumpften Berichterstattung durch die Tagesschau. Dorian Steinhoff lieferte eine hervorstechende Performance-Leistung ab, als er sich in tragisch Erlebtes hinein steigerte: ein Pornofilm sollte seine eingeschlafene Beziehung wieder auf sexuelle Touren bringen, erwies sich aber als finaler Scharfrichter jeglicher Lust. Die Zuschauer bekamen daraufhin Lust, ihn ins Finale zu schicken. Katharina Spengler spürte der leidenschaftlichen Liebe auf poetischeren, stilleren Pfaden nach und gab noch einige gereimte Strophen über die Anziehungskraft Luzifers hintendrein. Clara Nielsen bzw. ihr literarisches alter ego hielt Rückschau auf die ersten romantischen Gefühlsanwandlungen, bspw. gegenüber dem netten Armin Maiwald aus der „Sendung mit der Maus“ und diversen Harry Potters. Auch sie erreichte als mit Dorian auf gleicher Applaushöhe stehende Siegerin von Runde Zwei das Finale.

Das Dreierfinale schließlich ließ noch mal Dampf in die Hütte: Nadja, Dorian und Clara packten ihre starken Texte aus. Schlussendlich konnten die Applauslautstärken der drei Finalisten nicht mehr voneinander unterschieden werden, und da Jan als Conférencier weder dem nicht existierenden Slamkönig, noch irgendeiner übergeordneten Behörde, sondern einzig und allein dem Publikum Rechenschaft schuldig ist, wurde das Zuschauer- Votum in den legitimen Dreifachsieg überführt.

Herzlichen Glückwunsch – Clara Nielsen, Nadja Schlüter und Dorian Steinhoff – zum ersten Platz!

Nächste Show: 17. Mai 2009

Der nächste Poetry Slam findet am Sonntag, den 17. Mai 2009, um 20.30 Uhr im Erlanger E-Werk statt (Einlass 20 Uhr).

Das Teilnehmerfeld ist bereits vollzählig besetzt und schmückt sich mit folgenden Namen:

Nadja Schlüter (Bonn)
gehört zur ersten Garde der deutschen Bühnenpoetinnen und besucht Erlangen zum ersten Mal – dass es noch nicht eher geklappt hat, gereicht uns zur Schande, die jetzt abgewaschen wird

Dorian Steinhoff (Trier)
nachdenklich, hintergründig, leidenschaftlich und geistreich pointiert – so sind die Texte des performancestarken Trierers, der sich künstlerisch seit seinem letzten Besuch gravierend weiterentwickelt hat

„Der doppelte Halbbruder“ (Nürnberg)
Team bestehend aus dem fränkischen Kleinkunst-Don-Corleone Michael Jakob und dem wehrdienstversehrten Storyteller Martin Geier, man darf also gespannt sein

Axel Horndasch (Nürnberg)
der Vater lässt das Slammen nicht: trotz oder gerade wegen seiner Babypause steigt der Verseschmied wieder auf unsre Kellerbühne

Clara Nielsen (Bamberg)
thematisch vielfältig ihre Texte, ihre Performance steigert sich mitunter ins Leidenschaftliche und den Erlanger Slam hat sie bereits zweimal gewonnen

Robert Zitzmann (Bayreuth)
erstmalig bei uns und daher noch die bzw. der große Unbekannte

Katharina Spengler (Erlangen)
die Gewinnerin unsres Kurzgeschichten-Wettbewerbs und Finalistin des April-Slams ist erfreulicherweise eine regelmäßige Teilnehmerin geworden…

Lucas Fassnacht (Erlangen)
…ebenso wie dieser junge Mann und Gewinner des März-Slams, der Erlangen übrigens bei den fränkischen Meisterschaften 2009 vertreten wird

Oliver Teumer (Erlangen)
neugierig, mutig und kein bisschen nervös – auch so kann ein Slamdebüt aussehen, wenngleich dies natürlich die Ausnahme ist

Veit (Erlangen)
beim seinem letzten Auftritt im Januar sprengte seine skurrile Kurzgeschichte das Zeitlimit und blieb unvollendet – geht es nun weiter oder kommt etwas ganz neues?

Und außerdem, auf vielfachen Publikumswunsch noch einmal…

special act: Nikita Gorbunov

Der Urenkel des berühmten Schriftstellers und sowjetischen Dissidenten Lew Kopelew wurde in Moskau geboren und im Zuge der Wende bis nach Stuttgart gespült, wo er vom Rapper zum Singer-Songwriter mutierte. Seine Herkunft spiegelt sich deutlich in seinen Liedern wieder: rotzfrech bis hochprovokant, gleichzeitig aber tief melancholisch – eindeutig „made in Russia“! Letzten Monat reiste er im Auftrag des Goethe Instituts durch die Ukraine, eben stand er noch auf der Bühne der Münchner “Schaumschläger” (Lach- und Schießgesellschaft, Vereinsheim), danach gab es Schweinebraten, am Sonntag kommt er dann zu uns. Lecker!

Plakat-Mai09