(Gastbeitrag des Reflexmagazins)
Der Slam tanzt
Die Hupe war ein unersetzliches Requisit des Erlanger Poetry Slams. Sie diente dazu, Poeten, die mehr als sieben Minuten sprachen in ihre Schranken zu weisen. Olli war der, der darüber zuletzt wachen sollte, Beim Open Air Slam während des Poetenfestes. Da die Poeten es Olli langweilig werden ließen, machte er die Hupe erst blau und ließ sie dann auf nimmer wiedersehen verschwinden … Unter dem Vorzeichen dieser Krise, bestritten Lucas Fassnacht, die Poeten sowie die vielen Zuschauer und Assistenten den Abend ganz gut. Und sie lernten sogar was dabei.
Schreiben können ist nicht immer von Vorteil, erfuhr das Publikum in der zuckersüßen Kindergarten-Lovestory von Marvin Schodlock. Stimmt. Und nur, weil man richtig gut schreiben kann, gewinnt man nicht unbedingt beim Poetry Slam – besonders, wenn gleich so viele begabte Menschen im Rennen sind. Pauline Füg war dabei, Miro Bebic, Bybercap, Max Schulle, Henrik Szanto … Eine Auswahl exquisiter Wortfechter tummelte sich da auf der Bühne. Sie machten es Lukas Fassnacht nicht immer leicht, den Rundensieger zu ermitteln.
Wenn Text sich auf Tanz reimt
Wer von diesen wackeren Tastenklopfern und Federschwingern nicht über die Vorrunde hinaus kam, hatte doch meist den Gewinnertext für einen anderen Slam dabei. Bemerkenswert vor allen anderen war der Text von Peter Bähr. Mit geschlossenen Augen rezitierte er seinen Goldfisch. Einer absurden Begebenheit: Ein Klavierspieler stellt eines Tages fest, dass ein Goldfisch im dreigestrichenen C festsitzt. Trotz seiner slam-fremden Sprache, die schon eine ordentliche Patina angesetzt hat, gelang es Bähr, das Publikum zum Lachen und Klatschen zu bringen.
Sieger des Abends war verdient und mit dickem Sympathiebonus der Slammer AIDA aus Erfurt. Schon mit seinem Text über den Diskobesuch eines Schüchternen, eroberte er die Herzen des Publikums. Und als er dann zum Schluss auch noch seinen Text sinnreich mit Balletteinlagen anzureichern, gab es kein Halten mehr. Einen sympathischeren Sieger heißt es lange suchen: Nachdem er Standing Ovations für Lucas Fassnacht organisiert hatte, teilte AIDA seinen Preis, eine riesige Bierflasche gleich mit allen Beteiligten.
Besser gewählt!
Seine beiden Gegner im Finale, Paula Füg und Henrik Szanto freuten sich ganz selbstverständlich mit AIDA. Bis auf den Körpereinsatz standen ihre Texte dem des Siegers in nichts nach. Szantos grandiose Anleitung für ein Leben im Stockwerk über einem Wiener Puff sorgte für ordentlich Zwerchfellmassagen und schloss darin bündig mit dem Vorrundentext über die richtige Cocktail-Karten-Exegese. Paule Füg spielte am Sonntag eher in Moll, dabei aber so bewegend, dass man den Trennungsschmerz tief ins Herz stechen fühlt, wenn sie erzählt, wie sie ihre Beziehung mit der Stadt Hannover beendet hat.
Aussicht auf einen Sieg hätte allerdings auch Johanna Moll gehabt, die den Abend musikalisch begleitete. Grandiose Musik und außergewöhnliche Texte — sie war die heimliche Königin des Slams und beste Werbung für ihren Auftritt in der Kofferfabrik in Fürth am 4. Oktober um 20 Uhr, dann zusammen mit dem Hartz 5 Orchester.
Der Poetry Slam war ein wunderbares Schlusslicht für die Woche und eine gute Art, dem Rummel um die Landtagswahlen zu entgehen. Die Abwesenheit der Hupe fiel nicht weiter auf. Kein Poet überschritt sein Zeitkontingent. Eine ersatzweise angeschaffte Tröte durfte den Abend schweigend in der vierten Reihe verbringen. Ein Slam ist kein Slam und am 20. Oktober geht es schon wieder weiter, natürlich wieder im E-Werk Erlangen.
Dennis Dreher
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