Theresa Hahl ist die Gewinnerin des Erlanger Poetry Slams im März. Mit ruhig und gelassen vorgetragener Poesie in Reinform nahm die 20-jährige Berlinerin uns mit in die verlorenen Welten der Kindheit.
Sie setzte sich damit in einem grandiosen Finale mit knappem Vorsprung gegen die stilistisch vielfältigen und mit perfekter Performance beeindruckenden Caligula 6, ein Spoken-Word-Duo aus Kalifornien, das 2009 unter anderem die amerikanischen Slam-Meisterschaften gewonnen hat, sowie den ebenfalls hochkarätig performenden, die lustigsten Momente des Abends liefernden Mannheimer Nektarios Vlachopoulos durch. Die vierte Finalistin, die erst 15-jährige Marilisa aus Schweinfurt, musste leider das Finale ausfallen lassen, um den Zug zu kriegen. (Ihr Finalauftritt wird aber nachgeholt!)
Vom Leben mit ausreichend Humor beschenkt nahmen wir auch die kleine Pannenserie, die sich wie ein roter Faden durch den Abend zog, mit einem Lächeln hin: Verschwundene Teilnehmer, verschwundene Stimme eines Teilnehmers, ein störrischer Mikrofonständer und ein auseinander fallender, ein unfreiwillig gekürztes Finale, vergessene Plakate für die Show am 18. April… Trotzdem war es wieder ein schöner Abend mit einem berauschend vielfältigen Programm auf der Bühne:
Slam-Debütantin Silke Umminger aus Herzogenaurach brachte Poesie im ganz klassischen Stil vom Papier auf die Bühne, Andreas Commandante Grimm flambierte im starken Kontrast zur Vorrednerin eine „Rede an die Genossen“. Nachdem der Bayreuther Arne durch Nichterscheinen geglänzt hatte, zauberte der Erlanger Axel Horndasch mit den letzten Stimmreserven ein Sockengedicht aus dem Schuh (für diesen heldenhaften Auftritt kommt er natürlich auf unser nächstes Plakat!). Für beeindruckte Zuschauer sorgte Marilisa mit einer lyrischen Bestandsaufnahme einer verlebten Beziehung. Nektarios Vlachopoulos beschloss die erste Runde mit einem elbischen Haiku und einer verschriftlichten Reinkarnations-Vorhersage.
In Runde Zwo nahm uns Jonathan Baumgärtner aus Schweinfurt mit auf eine Bahnfahrt mit dem Reiseziel „ernüchternde Schlussfolgerung“, Loony Lorna aus Schwandorf zelebrierte zwei englische Texte u.a. über Liebeslyrik ohne Standardvokabular mit aller zu Gebote stehenden Extravaganz. Die US-amerikanischen Performanceprofis Caligula 6 (Melissa Rose und Lee Knight Jr.) verwandelten die Bühne in den Schauplatz eines Selbstmordanschlags im Nahen Osten und in einem zweiten Stück das afrikanische Drama und eingefrorene Finanzhilfen aus Washington. Theresa Hahl stellte einen Katalog kleiner persönlicher Makel auf den Kopf und in ein positives Licht. Der Bamberger Hötsch beendete die zweite Runde mit einem sehr emotionalen tragisch-romantischen Text.
Zu Beginn der beiden Runden gab es Musik von Gymmick, Gitarre und Klavier. Der Nürnberger besitzt zweifelsohne eine wunderbare, geradezu „reiserische“ Stimme und verblüffte uns mit großem Improvisationstalent, als er den Song „Suizid bei süßen Tieren“ auf Publikumszuruf Strophe um Strophe erweiterte. Noch einmal möchten wir euch sein Album „Gymmick mit uns“ wärmstens ans Herz legen – wir hören es schon die ganze Woche auf schwerer Rotation! Hier könnt ihr es bestellen.
Ausgewählte Highlights des Abends könnt ihr am Freitag, den 2. April, um 18 Uhr auf Radio-Z in der einstündigen Sendung „Wort ab! Das Magazin zum Slam“ hören. (Inzwischen auch hier als Stream auf e-poetry.de zu hören)
Noch eine tolle Neuigkeit zum Schluss:
Wie versprochen haben wir das Gästebuch digitalisiert. Hier könnt ihr es erreichen: Gästebuch
21.3.2010 – In meinem Alter und dann noch ein erstes Mal? – Oh ja! Ehrlich, hatte ich viel weniger Leute erwartet und viel ältere…Na ja, mein klassischer Vortrag hat ja auch seinen Platz – vielleicht nicht auf der Slam Bühne, aber ein Erlebnis war´s alle Mal. Danke, für die gute Moderation und das tolle Ambiente. Wollt Ihr wirklich umziehen???
Macht´s gut und haut weiter auf die Wörter ein…
Silke Umminger
Eine klasse Atmosphäre und tolle Beiträge. Ich bin jedes Mal von dem hohen Niveau beeindruckt und in den vergangenen 8 Jahren noch kein Mal enttäuscht worden!
Gestern hat die Kunstform Poetry Slam wieder einmal ihre ärgsten Kritiker Lügen gestraft. Poetry Slam ist KEINE Standup Comedy. Sicher gibt es den ein oder anderen Vertreter, der diese Gattung repräsentiert, aber Poetry Slam ist vielfältig – das gesprochene Wort steht im Mittelpunkt – Respekt gebührt den Poeten, die sich trauen etwas auf die Bühne zu stellen!
@Silke: Ich fand deinen Vortrag sehr anregend und auch so etwas darf auf einem Slam nicht fehlen! Leider hattest du die undankbare Startnummer 1, die es traditionell sehr schwer hat. Umziehen aus der Kellerbühne weg wollen wir inzwischen nicht mehr (bis auf den Januar – unserem alljährlichen Geburtstagsslam). Allerdings müssen wir im Mai und Juni in den großen Saal ausweichen, da die Kellerbühne für den Biergartenbetrieb besetzt ist.
@Frank Neuhaus: So etwas hört man wirklich sehr gerne, im Endeffekt sind es diese Feedbacks, die einen immer weiter voran treiben und zu weiteren Taten motivieren.