Ein Poetry Slam braucht kein Weihnachten
(Gastbeitrag des Reflexmagazins)
Weihnachtszeit ist Slamzeit – so wie jede andere Jahreszeit auch. Deswegen gab´s bis auf die Aufforderung des Moderators Lucas Fassnacht an das Publikum, liebevoll weihnachtlich gestimmt zu sein, auch keine Weihnachtsstimmung – eine willkommene Abwechslung in der zwanghaften Weihnachtsharmonie.
Stattdessen sorgte Liedermacher Gymmick, Kulturpreisträger der Stadt Nürnberg, mit seinem Anti-Nürnberg-Song für das richtige Maß an Sarkasmus, wobei er Alicia Keys, deren Melodie zu New York (Empire State of Mind) zugrundelag, stimmlich quasi in nichts nachstand. Spätestens nach „Für dich soll´s gelbe Nelken welken“ hatte er die Lacher auf seiner Seite und Zeitmesser Johannes stieg mit seinem Zeitmessgerät, der Triangel, begleitend ein.
Musiker Gymmik
Und dann gab´s beim eigentlichen Slam einige Texte, die so gar nichts von weihnachtlicher Harmonie hatten. So beschrieb Robert Kayser den Traum eines Energiekonzernchefs, in dem dieser die als autoritärer Herrscher seiner „Brückenstaatsform“ die Weltherrschaft übernimmt, bis er schließlich im Nachtclub aufwacht und auf dem Hintern einer Tänzerin die Aufschrift „Atomkraft – Nein, Danke!“ entdeckt.
Aufbegehren in vielerlei Hinsicht
Emir Taghikani plädierte im Anschluss für das Aufbegehren der Söhne gegen karriereorientierte, profitversessene Väter, bevor Tobias Kunze anschaulich sein Aufbegehren im Apple-Geschäft in „The day my macbook died“ darstellte. Ein bisschen aufbegehrerisch gab sich auch Franziska Wilhelm, wenn sie ihre Jugend-Bandkarriere in Seniorenheimen beschrieb, die kapitalismuskritisch beendet wurde, als eine kirchliche Organisation sie außerdem für Christrock anwerben wollte.
Intoleranz, Vorurteile und Gelassenheit
Sieger Maximilian Humpe
Das Finale gestaltete sich vielfältig: Robert Kayser ließ Batman und Superman über Intoleranz sprechen, Tobias Kunze griff sämtliche Vorurteile zum Thema Nahrungsmittelherstellung auf. Sieger des Abends wurde Maximilian Humpert aus Köln mit einem Mitmachtext, bei dem das Publikum durch gemeinsames Ein- und Ausatmen Gelassenheit praktizierte. Diese braucht zum Beispiel der Chabo,wenn er nicht weiß, wer der Babo ist, erklärte Humpe und forderte dazu auf, auch als personifizierter Scheißmagnet cool zu sein. Sein Plädoyer für Gelassenheit formulierte er am Ende seines Textes rappend auf einen vom Publikum erzeugten Rhythmus. Mit demselben Rhythmus applaudierten die Zuschauer dann schließlich auch für seinen eindeutigen Sieg. Einigkeit herrschte an diesem Abend also bezüglich des Gewinners – vielleicht kann das der Weihnachtsstimmung zugeschrieben werden.
Vera Podskalsky
Hier die Galerie zum Abend: