Zwei Slams in zwei Tagen, das hatte der Juni in Erlangen zu bieten – kurz bevor sich die Kultur eine Weile in ihre Berg-Pause verabschieden musste.
Bereits am 3. Juni gab es eine kleine, eintrittsbefreite Kurzausgabe des EPS unter freiem Himmel anlässlich der Sternen Nacht auf dem Martin-Luther-Platz zu hören, der sich sehen lassen konnte. Lucas Fassnacht (Erlangen), Peter Parkster (Nürnberg), Max Kennel (Bamberg) und Der Tom (Magdeburg) sorgten in zwei Runden für eine abwechslungsreiche Show, bei der trotz zufälliger thematischer Schwerpunktsetzung bei den Themen Gott und Sex auch zu frühabendlicher Stunde kein Blatt – außer manchmal das mit dem Text drauf – vor den Mund genommen wurde.
Für den musikalischen Rahmen sorgte die Wahl-Erlangerin Paula Linke, mit sanften und bezaubernden Songs von frühsommerlicher Leichtigkeit, die für einen guten Kontrast zum Wettkampf sorgten. Den schließlich entschied Max Kennel für sich, und übrigens war das schon sein zweiter Sieg in diesem Jahr.
Nur zwei Tage später fand der letzte reguläre Erlanger Slam vor der Sommerpause statt – wobei sich der Sommer an diesem Tag schon einmal von seiner unangenehmen Seite zeigte angesichts der drückenden Schwüle, die am 5. Juni herrschte. So erlebten wir einen feinen, sehr poetischen Abend, der schon vor Beginn schweißtreibend war.
Die Siegerin des Juni-Slams kommt aus Marburg (wo dereinst die Gebrüder Grimm studierten) und heißt Theresa Hahl. Als Origami-Falterin an den Schnittstellen der Wahrheit überzeugte sie mit ihrem unverwechselbaren Vortragsstil und eigenwilligen lyrischen Perspektiven auf Ruhepole in Zeiten im Schnelldurchlauf.
Frank Klötgen, der mit ihr im Finale stand, verlor sich ganz in einer wortgewaltigen, aber sehr getragenen und philosophischen verbalen Kamerafahrt in den Mikrokosmos einer grünen Wiese – ganz im Gegensatz zu Runde 1, wo der Essener (der übrigens auch Frontmann der Band Marilyn’s Army ist) mit einem sprachlichen Wunschbrunnen hadernd einen virtuos geschriebenen und performten Hochgeschwindigkeitstext zum Besten gab, an den wir hier noch lange erinnern werden
In einer selten so knapp gewesenen und daher auch sehr streitbaren Mehrfachabstimmung am Ende von Runde 1 hatte Klötgen sich gegen den Heidelberger Tobias Gralke durchgesetzt, der mit seinem ruhig vorgetragenen Hochlied auf die Poesie stellenweise für echte Gänsehautmomente sorgte.
Ähnlich eng war es für Katja Hofmann aus Halle, die mit der charmantesten Hasstirade seit langem und einem sofort nachgelegten romantischen Text für ausgeglichenes Bühnenkarma sorgte.
Ebenfalls knapp ausgeschieden war Wolf Hogekamp, einer der absoluten Gründungsväter des Poetry Slams in Deutschland, der für ordentlich Berliner Luft auf der Bühne sorgte, als er seine Heimatstadt und den originären Kommunikationsstil ihrer Bewohner zu mehreren, variantenreichen Texten verdichtete („Janz Berlin ist eine Wolke“).
Und auch darüber hinaus war dieser schöne Abend einer, den ich an eurer Stelle nicht verpasst haben möchte! Da wäre beispielsweise die Piratenballade von Sage Dragon aus Forchheim zu nennen, der das Publikum die akkustischen Effekte zu seiner Schauermär generieren ließ (wobei vor allem der sich auf einzigartige Weise verselbstständigende Meereswind unvergesslich bleiben wird). Axel Horndasch aus Erlangen ließ die Zuschauer Monate und Jahreszahlen auswählen, zu denen er jeweils das dazugehörige Gedicht seiner aktuell jubilierenden Homepage www.gedicht-des-monats.de vortrug. Leonie Mühlen aus Landsberg stellte die lebensverlängernden Maßnahmen längst herztoter Freundschaften in Frage. Schlumpf aus Erlangen, der unfallgeschädigt auf Krücken die Bühne entern musste, zelebrierte Rückblick, Tragik und Traurigkeit ohne jedes Zugeständnis an die allgegenwärtige Unterhaltungsorientierung. Der Heidelberger Philipp Herold überführte eine waschechte Liebeserklärung in die Termini der Fußballberichterstattung – mehr als nur eine plumpe Referenz an die Frauen-WM!
Last but ganz sicher not least sei noch dem Stuttgarter Tino Bomelino ein Dank und ein „Chapeau!“ gesprochen, der uns ein erfrischend unkonventionelles Rahmenprogramm irgendwo zwischen intelligenter Comedy, musikalischer Hingabe und experimenteller Verspieltheit (ich will auch so einen Looper!) servierte – nebst eines längst überfälligen Experiments zur Eruierung des Zusammenwirkens der humoristischen Reaktion auf einen Witz und dem Zusammengehörigkeitsgefühl des Publikums.
P.S.:
Wie bereits bei der letzten Show gesagt wird es nun (entgegen vorheriger Ankündigung) in unserer Sommerpause doch einen Open Air Slam geben, und zwar am 10.07.2011, 15 Uhr, E-Werk Außenbereich.
Mehr Infos demnächst, nur schonmal vorab: Freut euch auf ein tolles Künstleraufgebot und freien Eintritt!