Poetry Slam [(to) slam (engl.): zuschlagen; zerschmettern; Volltreffer; Schlagabtausch
Geburtsort des Phänomens ist der legendäre „Green Mill Jazz Club“ in Chicago, wo 1987 der Bauarbeiter Marc Kelly Smith den ersten „Poetry Slam“ aus der Taufe hob.
Smith hatte schon seit seiner frühen Jugend Gedichte geschrieben, meist zu den Klängen von Blues oder Jazz. Um sich von seinen harten Arbeitstagen auf der Baustelle zu erholen, vertrieb er sich die Abende mit literarischen Lesungen unterschiedlichster Art, in Buchläden, Bibliotheken, Universitäten und ähnlichen kulturellen Einrichtungen, doch nichts vermochte seiner Begeisterung für Literatur, wobei er besonders zu zeitgenössischer Lyrik tendierte, Rechnung zu tragen.
„Ich sog alles auf, was ich bekommen konnte. Und dies nicht aus Bildungsgründen. Mich interessierte vor allem der Umgang mit Sprache und die damit verbundenen Gefühle, die ein Gedicht bei mir und anderen auszulösen in der Lage war. Was ich jedoch niemals verstehen konnte, war die Art der Textvorträge und die Orte, an denen sie abgehalten wurden. Wie konnte jemand etwas, was ihm offensichtlich wichtig erschien, derart schlecht vorbereitet vortragen, und dieses dann auch noch häufig in der sterilen Atmosphäre eines nüchternen weißen Raums mit Stuhlreihen, ohne Bar, ohne flairerzeugende Beleuchtung, ohne die Möglichkeit, den Rest des Abends angenehm miteinander verbringen zu können. Hier hinkte die Dichtkunst den von mir ebenfalls geliebten Jazz- und Blueskonzerten in Chicagos Clubs noch um Meilen hinterher. Die Zeit machte neue Schritte nötig“, sagte Marc Smith dem Bayrischen Rundfunk anlässlich eines Besuches des Münchner Slams (existiert seit 1996).
Smith begann Anfang 1985, seiner Unzufriedenheit mit den vorherrschenden Literaturformaten Taten folgen zu lassen, indem er die „Get Me High Lounge“ im Süden der Stadt zu einem Club für neue Poetry-Formen umbaute. Dort begann er mit sogenannten „Pong Jams“ (sprachliche Kreuzung aus Poem und Song), und fand sich bald einem schnell wachsenden Publikum gegenüber. Zusammen mit einer ständig wachsenden Zahl junger Dichter führte er die Idee fort und kam schließlich zum heute gültigen System des Poetry Slam:
Eine Anzahl von 8 – 10 Poeten pro Abend trägt in einer per Losentscheid gezogenen Reihenfolge ihre Werke vor, wobei das Publikum entweder per Applaus oder in Form einer aus dem Publikum gebildeten Jury (Noten von 0 bis 10) zwei Favoriten bestimmt, die dann noch einmal im Finale um die Gunst der Zuhörer und –schauer buhlen.
Chicago wurde damals zu einem Sammelpunkt für junge Dichter und Poeten, schnell wurde die bis heute verwendete Bezeichnung „Performance-Poet“ gängig.
Eine nationale Bewegung fand ihren Anfang, 1993 existierten bereits in 19 Staaten der USA Poetry Slams, und schnell wurde die Sache international – weltweit entstanden Ableger, Poetry Slams rund um den Erdball:
Zuerst Kanada, Schweden, Holland, Deutschland, Dänemark, Japan (im Shinjuku Bahnhof in Tokio erstmals Open air) und sogar seit 1996 ein siebensprachiger Slam in Jerusalem, später folgten dann Italien, Frankreich, Schweiz, Österreich, Spanien, Brasilien, Osteuropa und Russland.
Poetry Slam in Deutschland
Auch in Deutschland ist der Erfolg des Poetry Slams nicht zu bremsen. Mund-zu-Mund-Propaganda sorgt fast immer für steigende Publikumszahlen, wer einmal einen regulären Poetry Slam besucht hat, will meistens mehr, bringt beim nächsten Slam-Besuch oft Freunde mit, und auf diese Weise kommen immer wieder neue Dichter/-innen hinzu, die sich irgendwann eventuell entscheiden, selbst einmal auf die Bühne zu treten.
In München oder Stuttgart beispielsweise sind die Slams auch ohne großen Promotion-Aufwand jedes Mal ausverkauft. Keine andere Veranstaltung schafft es, Kunst und Unterhaltung auf solch einzigartige Weise zu vereinen, literarische Inhalte so direkt zu vermitteln, den Nerv der Zeit so genau zu treffen, weshalb sich auch Magazine wie Spiegel, Focus und Stern bereits ausführlich mit dem Thema beschäftigt haben.
Ferner erhält der Künstler auf der Bühne das Feedback, welches seine Werke zu zeitigen vermochten, direkt und schonungslos – bei einem konstruktiven Umgang mit den beobachteten Reaktionen ist eine deutliche Verbesserung der eigenen Fähigkeiten (literarisch und/oder performance-technisch) möglich.
1999 listete das Musikmagazin Intro bereits 30 deutsche Städte auf, die einen eigenen Poetry Slam zu bieten hatten, mittlerweile sind es 120 Städte, die einmal pro Jahr ihre erfolgreichsten (in der Gunst des Publikums) Poeten zum German International Poetry Slam senden, der Endausscheidung in Sachen Performance-Poesie (alle deutschsprachigen Länder schicken die Vertretungen ihrer Städte) um so jährlich den besten Einzelperformer und das beste Poeten-Team zu küren. 2001 fand der 5. GIPS in Hamburg statt, begleitet vonstarker Medienpräsenz, im Herbst 2002 wird er im schweizerischen Bern abgehalten werden.
Literatur- und Quellennachweis
– Ko Bylanzky, Rayl Patzak (Hg.), „Poetry Slam – Was die Mikrofone halten“, München, Ariel-Verlag, 2000
– Wulf Wager (Hg.), “in Baden-Württemberg“ 3/2001, Leinfelden-Echterdingen, DRW – G. Braun Verlag, 2001
– Stuttgarter Nachrichten, Ausgabe vom 13.07.2001, Nr. 134, 24. Woche, 56. Jahrgang
– Hartmut Pospiech, Tina Uebel (Hg.), „GIPS – Clubliteratur-Festival 2001“ (Programmheft), Hamburg, Writers` Room, 2001